Das deutsche Duo bankleer hat das diesjährige Kunstprojekt für den Wiener Graben konzipiert, zu sehen bis 3. November 2024 am Kunstplatz Graben. bankleers Skulptur „Umwölkt“ bezieht sich inhaltlich und formal auf die Pestsäule (Dreifaltigkeitssäule), die unweit am Graben an die Überwindung der Pestepidemie von 1679 erinnert. Teil des Konzepts sind auch performative Bespielungen der Skulptur, jeweils Donnerstag um 18 Uhr.
In der von Kaiser Leopold I. gestifteten Dreifaltigkeitssäule verschmelzen das Theologische und Politische, das Göttliche und das Irdische, zu triumphaler barocker Monumentalität: die Überwindung der Pest, die Verherrlichung der göttlichen Dreifaltigkeit, die Abwehr der Türkenbelagerung und die Einheit der habsburgischen Länder. Dem „schwarzen Tod“, der großen Pestepidemie von Wien fielen 1679 vermutlich rund 12.000 Menschen zum Opfer. Anlass für die Errichtung des Denkmals war ein Gelübde Kaiser Leopold I. (1640-1705), geleistet aus Dankbarkeit über das Ende der Pest.
An der Pestsäule haben einige Bildhauer mitgewirkt. Die Grundsteinlegung dauerte bis 1687. Die Entwürfe für das Denkmals fertigte Matthias Rauchmüller (1646-1686) an, der während der Arbeit verstarb. Das architektonische Konzept stammt von Johann Bernhard Fischer von Erlach, der den von Rauchmüller begonnenen Sockel veränderte. Der „Wolkenobelisken“ (unter Leitung Paul Strudels von mehreren Bildhauern ausgeführt) geht auf einen Entwurf von Lodovico Ottavio Burnacini (1636–1707; Architekt, Grafiker, Bühnen- und Kostümbildner) zurück. Er gilt als einer der bedeutendsten „Theateringenieure“ im Barock, dessen künstlerische Bandbreite von Darstellungen des alltäglichen Lebens über „Grotesken“ bis zu fantastischen Visionen der Hölle reichten. Das formale und programmatische Konzept des Denkmals basiert auf der heiligen Zahl drei (der Grundriss bildet ein gleichschenkliges Dreieck): Der Sockel ist dem Menschlichen vorbehalten. Darüber erhebt sich – zwischen Erde und Himmel – der „Wolkenobelisk“ als eine aus Wolken aufsteigende Pyramide mit Engeln. Die dritte und oberste Ebene entspricht der göttlichen Dreifaltigkeit. Das ikonographische Programm mit den sechs Reliefs am Sockel stellte der Jesuit Pater Franciscus Menegatti zusammen.
Diesem genreübergreifenden Zugang des Hochbarocks widmet bankleer sein spezifisches Interesse für seine Installation am Wiener Graben und verbindet es mit der eigenen Arbeitsweise. bankleer greift die Form der Wolkenpyramide, deren dramatisches Bildprogramm und den künstlerischen Nährboden Burnacini auf und holen beides mit einer theatralen Bespielung ins Heute: Einmal wöchentlich erklimmen Schauspieler*innen das Innere der zur Erde herabgesunkenen Wolke und bespielen sie für 15 Minuten. Im Gespräch miteinander und mit der Wolke denken sie laut über die Leiden der Gegenwart, die Spaltung der Gesellschaft, über Kriege und die Herrschaft des Kapitalismus nach. Was tun, um in 15 Minuten die Welt zu retten?
Die Verbindung vom Weltlichen und Göttlichen ist die Grundlage für bankleers Konzept einer „performativen Skulptur“. Das Bildprogramm stehe für die Auflösung der Grenzen zwischen theatraler Aufführung, Prozession und bildlicher Kunst. bankleer reagieren auf den aktuelle Zustand der Welt: “Bietet die Verlassenheit von allem Göttlichen nicht auch eine Chance, die irrelevant gewordenen Kräfte der Spiritualität und mystischen Gefühle mit tiefen Resonanzen als Ressource für die Bewältigung der Krise zu nutzen und unsere Denkweise zu ändern“, fragen die Künstler*innen.
Performances:
Mit Niels Karlson Hering und Charlie Sondermann.
Donnerstag, 26. September / 3. / 10. / 17. / 24. / 31. Oktober, 18 Uhr
Umwölkt wird von KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien gefördert.
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