Vizebürgermeister Wiederkehr und Kulturstadträtin Kaup-Hasler übergaben heute das von Sarah Ortmeyer und Karl Kolbitz geschaffene Denkmal im Wiener Resselpark seiner Bestimmung.
Nach einem umfassenden Community-Beteiligungsprozess lobte die Stadt Wien 2021 einen offenen Wettbewerb für ein „Denkmal für Männer und Frauen, die Opfer der Homosexuellen-Verfolgung in der NS-Zeit wurden“, aus, den Sarah Ortmeyer und Karl Kolbitz gewannen.
Homosexualität unter erwachsenen Personen war in Österreich von 1852 bis 1971 strafbar. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 erhöhte sich die Anzahl der als Homosexuelle verfolgten Männer und Frauen dramatisch, die Strafmaße stiegen deutlich. Die nationalsozialistischen Behörden kriminalisierten die Beschuldigten, verbrachten sie ins Gefängnis, in die Nervenklinik, den Operationssaal oder in Konzentrationslager. Allein aus Wien wurden mehr als hundert Männer in Konzentrationslager deportiert, weniger als ein Drittel der Verfolgten überlebte. Nach der Befreiung Österreichs wurde niemand von ihnen als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt. Das Denkmal formt den imaginären Schatten eines Regenbogens auf einem schwaneneiförmigen Grund. In der Natur ist der Regenbogen eine komplexe Erscheinung – kraftvoll und fragil zugleich. Er erscheint nur, wenn ganz bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Der sechsfarbige Regenbogen ist heute international als Symbol der queeren Bewegung bekannt, aus deren Mitte heraus er in den 1970er-Jahren entstanden ist. Durch die Abwandlung der Farben in unterschiedlich schattierte Grautöne wird ein mehrdeutiges Bild geformt, das Trauer und Hoffnung vereint. Gesellschaftliche Gleichberechtigung und Akzeptanz sind auch heute noch keine Selbstverständlichkeit. Das Denkmal soll das Gedenken an die als Homosexuelle diskriminierten, verfolgten und ermordeten Menschen lebendig halten. Die Skulptur steht für eine solidarische Erinnerung – jetzt und in der Zukunft.
Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr: „Es ist ein wichtiges Projekt der Wiener Fortschritts-Koalition und mir ein persönliches Anliegen, mit diesem permanenten Denkmal der Menschen zu gedenken, die im nationalsozialistischen Terror-Regime als Homosexuelle verfolgt, gefoltert oder ermordet wurden. Der in Trauerfarben getauchte Regenbogen mahnt uns alle daran, dass Akzeptanz und Gleichberechtigung keine Selbstverständlichkeit sind, sondern von jeder Generation aufs Neue erkämpft und abgesichert werden müssen. Und genau dazu bekennt sich die Stadt Wien und die Stadtregierung ausdrücklich und steht symbolisch und auch realpolitisch an der Seite der Menschen, die Ausgrenzung oder Hass erfahren mussten.“
„Wie bedeutend es ist, die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen an homosexuellen Menschen wachzuhalten und der Opfer im öffentlichen Raum zu gedenken, zeigen leider jüngste Medienberichte. In aller Welt ist die Zunahme von Homophobie zu beklagen, homosexuelle Handlungen stehen in vielen Ländern (die Hälfte davon sind afrikanische Staaten) unter Strafe. In Uganda können seit einer aktuellen Gesetzesnovelle „schwerwiegende homosexuelle Vergehen“ sogar mit dem Tod bestraft werden“, beklagt Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler die Angriffe auf Menschenrechte. „Das Denkmal im Resselpark mahnt uns, jeglicher Form von Homophobie und Diskriminierung entschieden entgegenzutreten und setzt ein Zeichen für vergangenes, aber leider auch gegenwärtiges Leid. Der ergraute Regenbogen ist ein Sinnbild dafür, in welche Abgründe Intoleranz und die ideologische Instrumentalisierung von Vorurteilen führen“, schließt Kaup-Hasler.
Das Projekt wird von der Stadt Wien und dem Nationalfonds der Republik Österreich unterstützt.
Hannah M. Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus betont die Bedeutung zeitgemäßen Gedenkens aller Opfergruppen des Nationalsozialismus: „Homosexuelle sind eine Opfergruppe, die besonders spät als Opfer des Nationalsozialismus Berücksichtigung fand – erst das Nationalfondsgesetz brachte 1995 erstmals die generelle Anerkennung. Der Nationalfonds unterstützt Projekte wie dieses, weil es nicht nur an vergangenes Unrecht erinnert, sondern in der Gegenwart das Bewusstsein für die Verwundbarkeit gesellschaftlicher Gruppen wachhält – eine Verwundbarkeit, die uns oft erst zu spät bewusst wird.“
Sarah Ortmeyer und Karl Kolbitz überzeugten mit ihrem Entwurf „ARCUS (Schatten eines Regenbogens) – Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen“ die Jury des zweistufigen künstlerischen Wettbewerbs, die von einem Sachbeirat aus Community-Vertreter*innen und Expert*innen unterstützt wurde. Ausgelobt hatten diesen die Wiener Antidiskriminierungsstelle für LGBTIQ-Angelegenheiten (WASt) und KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien.
Hannes Sulzenbacher, Co-Leiter des Zentrums QWIEN-Zentrum für queere Geschichte und Jury-Vorsitzender: „Die Errichtung des Denkmals im Resselpark ist ein Meilenstein der österreichischen Erinnerungskultur, wird hier doch einer der letzten, jahrzehntelang verschwiegenen Opfergruppe gedacht. Erst 2005, als wohl niemand der verfolgten Männer und Frauen mehr lebte, wurden sie in das Opferfürsorgegesetz aufgenommen. Ebenfalls im Jahr 2005 startete die Gemeinde Wien den Prozess zur Errichtung eines Denkmals zu ihrem Gedenken, das nun einen würdigen Abschluss findet.
Der Entwurf „ARCUS (Schatten eines Regenbogens)“ von Sarah Ortmeyer und Karl Kolbitz hat die Jury in mehrfacher Hinsicht überzeugt. Er übersetzt den Regenbogen, der heute ein internationales Emblem der LGBTIQ-Bewegung ist und die Vielfalt geschlechtlicher und sexueller Identitäten symbolisiert, in ein Zeichen der Erinnerung und der Trauer. Wenn man dem Regenbogen die Farben nimmt, bleibt ein metaphorischer Schatten von ihm übrig. Genau das vermittelt das Denkmal von Ortmeyer und Kolbitz.
Von einer bunten Wiener Community blieben nach dem März 1938 nur mehr vereinzelte und verfolgte Individuen, die einem noch nie dagewesenen Verfolgungsapparat ausgeliefert waren. Und auch die Buntheit des Regenbogens zeigt sich hier als eine verblichene, von der Vielfalt der Farben sind nur Grautöne geblieben. Dies ist irritierend und gleichzeitig auf den ersten Blick erfassbar und verständlich. Durch seine Dimension bringt das Denkmal die monumentale Ungeheuerlichkeit der begangenen Verbrechen zu Ausdruck und fügt sich ästhetisch dennoch mit Eleganz und Leichtigkeit in die Topographie des Resselparks ein.“
„Fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs – wird ‚ARCUS (Schatten eines Regenbogens)‘ enthüllt, das Denkmal zur solidarischen Erinnerung an die durch die Nazis als Homosexuelle verfolgten und ermordeten Menschen. SIE sollen heute gewürdigt werden und im Mittelpunkt stehen. Deshalb halten wir uns als Künstlerisches Team bewusst zurück“, so Sarah Ortmeyer und Karl Kolbitz.
Erklärung des Entstehungsprozesses
„Dank der Zusammenarbeit der Stadt Wien mit der queeren Community, aber auch der Kunst- und der Gedenk-Community ist es gelungen, diesen langen Entstehungsprozess heute zu einem so überzeugenden und internationale Maßstäbe setzenden Ergebnis zu bringen. Mit diesem permanenten Kunstwerk wird die Erinnerung an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus im öffentlichen Raum manifestiert und die Menschen aufgefordert, sich mit Homophobie und Diskriminierung auseinanderzusetzen und sich dem entgegenzustellen“, so die beiden Auslober*innen des Wettbewerbs, KÖR-Geschäftsführerin Martina Taig und WASt-Leiter Wolfgang Wilhelm.
Bezirksvorsteherin Lea Halbwidl: „Die Errichtung des Denkmals für Opfer der Homosexuellen-Verfolgung in der NS-Zeit ist ein wichtiger Schritt. Es rückt die Erinnerung an die Verfolgung von Männern und Frauen als Homosexuelle während der Zeit des Nationalsozialismus in den Fokus, erinnert aber auch daran, dass Homosexualität noch bis 1971 strafbar war und es leider noch heute zu Diskriminierungserfahrungen kommt. Deshalb ist es umso wichtiger, sich für Akzeptanz und Vielfalt einzusetzen und Homophobie entschieden entgegenzutreten.“
Kurzbiografien Künstlerisches Team
Sarah Ortmeyers Werk umfasst klassische Disziplinen wie Bildhauerei und Malerei, oft in nicht-traditionellen Darstellungsweisen. Sie arbeitet in umfassenden Werkgruppen, zu Themen wie: GRANDMASTER Series (Schach), EMOJI SHADOW Series (Schatten) und CANUS Collectio (Grau). Ortmeyer stellt international aus, unter anderem im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, Berlin; Palais de Tokyo, Paris; Galeri Nasional Indonesia, Jakartas; Belvedere21, Wien oder MoMA PS1, New York.
Karl Kolbitz ist freiberuflicher Editor und als kreativer Berater und Produzent tätig. Kolbitz arbeitet an der Schnittstelle zwischen inhaltlicher Entwicklung und visueller Gestaltung. In seinen dokumentarischen Projekten beschäftigt er sich mit dem Einfluss von Design, Architektur und öffentlichem Raum auf unser Leben. Die Zusammenarbeit mit Künstler*innen formt einen Schwerpunkt seiner Arbeit.
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