Eine temporäre Installation von Hannes Zebedin
Die Installation VOR ORT des österreichischen Künstlers Hannes Zebedin ist bis Anfang November am Kunstplatz Graben zu sehen. Die vier Meter hohe und 80 m2 große ortsspezifische Arbeit aus Beton und Kleidungsstücken lädt ein, sich mit den Themen Konsum und den Interpretationsmöglichkeiten von Kleidung im Allgemeinen auseinanderzusetzen. Ein Projekt von KÖR – Kunst im öffentlichen Raum Wien.
Inmitten von glamourösem Shoppingvergnügen und Touristenströmen lässt Hannes Zebedin zwei soziale Parallelwelten aufeinandertreffen. Oberflächlich gesehen berühren sich diese selten, doch in der Logik von Ursache und Wirkung sind beide auf unterschiedliche Weise mit der luxuriösen Einkaufs- und Flaniermeile am Wiener Graben verbunden. Das eine ist die augenfällige Realität, die sich uns vor Ort darbietet. Die andere, die wir nicht sehen, transportiert der Künstler als Unort vor Ort, indem er mittels zweier Kulissen einen Perspektivenwechsel herbeiführt und den Blick auf den Symbolwert von Kleidung lenkt. Er bezieht sich dabei auf Bertolt Brechts Gedicht Alfabet von 1934, in dem Arm und Reich sich gegenüberstehen und feststellen, dass der Reichtum des einen seine Ursache in der Armut des anderen hat.
Während die in einer Mauer eingelassenen, hochpreisigen Designerkleider wie ikonische Ausstellungsstücke das Prestige und Begehren der Menschen vor Ort repräsentieren, erzählt die auf einer abstrakten Landschaft liegende Kleidung die Geschichte der Sehnsucht jener Menschen, die sich zwischen den Orten, also an Unorten, befinden, die überwunden werden müssen, um an einem Ort der Sicherheit anzukommen. „Alles im Moment nicht Notwendige, für das Fortkommen Hinderliche wird auf den Routen der Flüchtenden zurückgelassen. Im Zentrum Wiens gibt es auch Kleidung, die (noch) nicht benötigt ist. Jedoch gibt es ein Verlangen, Körper in den ausgestellten Kleidern zu sehen. Die Menschen, die es verspüren, haben neben den notwendigen finanziellen Ressourcen vor allem eines: den richtigen Reisepass“, so der Künstler, der in seinen Arbeiten die Auswirkungen geopolitischer Strukturen auf die Landschaft analysiert und in skulpturale Assemblagen übersetzt
Text: Cornelia Offergeld, Kuratorische Leiterin KÖR GmbH
„Kunst im öffentlichen Raum kann auf spezifische Orte und Situationen der Stadt reagieren und deren Bedingungen und die der Gesellschaft reflektieren, um eine Auseinandersetzung mit aktuellen Fragestellungen zu ermöglichen. Hannes Zebedin referenziert in seiner Arbeit auf die unmittelbare Umgebung am Graben und greift in seiner Gestaltung die gängige Art der Präsentation vor Ort auf. Seine Darstellung von Kleidung geht jedoch weit über ein reines Ausstellen zum Goutieren und Konsumieren hinaus. In seiner zweiteiligen skulpturalen Setzung wird einerseits auf den Reichtum und die Sehnsucht mancher Menschen nach Ansehen am Ort verwiesen und andererseits Migration thematisiert und das gezeigt, was Menschen zurücklassen, um aus einem Unort an einen anderen, hoffentlich besseren Ort zu kommen. “ so Martina Taig, Geschäftsführerin KÖR GmbH anlässlich der Eröffnung.
Markus Figl, der Bezirksvorsteher des 1. Bezirks in Wien ergänzt „Das diesjährige Kunstwerk beschäftigt sich mit Bekleidung und hinterfragt die heutige Konsumgesellschaft. Gerade in der Inneren Stadt hat Kleidung historisch im öffentlichen Raum eine große Rolle gespielt, erkennbar an Namen wie Tuchlauben, Wollzeile oder dem Textilviertel. Ich begrüße temporäre und sich wechselnde Kunst und es freut mich, dass es einen Ort wie den Graben mitten im Zentrum von Wien gibt, an dem viele Menschen unmittelbar mit Kunst in Berührung kommen und durch Kunst zum Reflektieren angeregt werden.“
Die Stadträtin für Kultur und Wissenschaft Veronica Kaup-Hasler zur Eröffnung der Installation „Kunst – insbesondere jene im öffentlichen Raum – übernimmt eine wichtige Aufgabe dabei, uns aus starren Handlungen und eindimensionalen Perspektiven herauszureißen. Kunst kann uns konfrontieren – etwa mit dem Unbequemen, das uns aus unserer Komfortzone wirft. Deswegen freut es mich, dass Hannes Zebedin am Kunstplatz Graben, einem von Konsument*innen und Tourist*innen so frequentierten Platz, einem Ort des Hastens und Eilens, mit seiner Arbeit zum Innehalten und Nachdenken motiviert.“
Hannes Zebedin
Der Bildhauer Hannes Zebedin analysiert und übersetzt in seinen Assemblagen und Installationen mit verschiedensten Versatzstücken und Materialien die Auswirkungen geopolitischer Strategien auf die Landschaft, insbesondere der Alpen-Adria-Region, in der er geboren und aufgewachsen ist.
Geboren 1976 in Lienz, lebt der Künstler in Wien und in Sela na Krasu (SLO). Nach einem Studium der Volkswirtschaft und Politikwissenschaft an der Universität Wien studierte Hannes Zebedin an der Akademie der Bildenden Künste Wien und an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg. 2010 gründete er gemeinsam mit Adrien Tirtiaux und Antoine Turillon das künstlerische Forschungsprojekt HOTEL CHARLEROI.
Neben zahlreichen Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen (z.B. 2009 in der Wiener Secession, 2021 „BEYOND BORDERS“ in der Gallery of Contemporary Art and Likovni salon Gallery in Celje (SLO) oder zuletzt im März 2022 mit der Arbeit „When Freedom Exists, There Will Be No State“ in der Ausstellung „If There Is Paradise On Earth, It Is there, It Is There, It Is there“ in Lahore (PAK) ist der Künstler regelmäßig eingeladen, Projekte für den öffentlichen Raum zu konzipieren.
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