„Sobald Sie sich für Sommerhäuser entscheiden, sind Sie gerettet.“
Ein gestörtes Verhältnis zur Wirklichkeit kann beängstigend oder komisch wirken. Ein Gefühl von Hilflosigkeit ebenfalls. Beides ist heute an der Tagesordnung. Allgemeine Verunsicherung liegt in der Luft und damit einhergehend der Wunsch nach Bewahrung des Vertrauten. Auch wenn die Welt sich ändert, soll alles eigentlich so bleiben, wie es immer war.
Das letzte Stück Tschechows, „Der Kirschgarten“, ist ein Meisterwerk dieser Menschen- und Weltsicht. Die ProtagonistInnen sind, wie zumeist bei Tschechow, verarmte Landadelige in der russischen Provinz und versprühen mit ihren Vorstellungen vom Leben und in ihrem gleichzeitigen Fernsein von Gestaltungsmöglichkeiten in der realen Welt die exemplarische Tragikomik des Festklammerns an einer Vergangenheit, die sich in Auflösung befindet.
Arturas Valudskis, der vor drei Jahren schon mit seiner feinsinnigen Tschechow-Interpretation von „Die Möwe“ im TAG reüssierte, lässt nun den KIRSCHGARTEN über die Bühne gehen. Valudskis’ Zugriff auf den Stoff ist ein radikaler. Er reduziert den Text aufs Wesentliche, indem er im Arbeitsprozess mit den SchauspielerInnen verschiedene Übersetzungen im Vergleich mit dem russischen Original auf ihren Treff- und Sinngehalt überprüft und sich gemeinsam auf die Suche nach den „richtigen Worten“ begibt. Dabei hat der russophone Litauer ein besonders sensibles Gehör für den tschechowschen Witz. Bei aller Melancholie und Verlorenheit der Figuren wird Tschechows Spartenbezeichnung „Komödie“ von ihm mehr als ernst genommen. Ein humorvoll-poetischer Abend über die Gesellschaft in einer Zeit des Übergangs.
Es spielen: Jens Claßen, Michaela Kaspar, Raphael Nicholas, Karola Niederhuber, Lisa Schrammel, Georg Schubert
Text und Regie: Arturas Valudskis | Ausstattung: Alexandra Burgstaller | Dramaturgie: Isabelle Uhl | Regieassistenz: Renate Vavera